„DU MUSST BELIEBT SEIN“ ist einer jener Sätze, die unserem Verhalten eine gewisse Richtung vorgeben.
Wer bestimmt Normen und Richtwerte für Beliebtheit?
Welche Maßstäbe werden dabei angewandt?
Wer bleibt auf der Strecke?
Wo beginnt und endet die Freiheit des Einzelnen?
Diesen und ähnlichen Fragen gehen die Schülerinnen und Schüler der PTS Himberg bei Wien und der NMS Schwechat gemeinsam mit dem theater.wozek auf den Grund.
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VERWIRRUNGEN handelt vom Erwachsenwerden und von den Werten unserer Gesellschaft. Themen wie „Gruppenzwang“,
„Selbstjustiz“ und „Zivilcourage“ werden schauspielerisch aufgearbeitet.
Schülerinnen und Schüler aus Korneuburg und Langenzersdorf haben unter der professionellen Leitung von Karl Wozek und Charly
Vozenilek das Stück in einem mehrwöchigen, intensiven Probenprozess
entwickelt.
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Premierentermin: 5. Mai 2011 19:00 (Vorpremiere 5. Mai 10:00)
Spieltermine: Fr. 6. Mai 10 + 19 Uhr / Mo. 9. Mai 10:30 Uhr / Di. 10. Mai 10 Uhr / Do. 12. Mai 10 Uhr / Fr. 13. Mai 10 + 19 Uhr / Sa. 14. Mai 19 Uhr
Aufführungsort: Fabriksgelände Eisenbergerhalle, Litschauerstrasse, 3950 Gmünd (bei ausreichender Nachfrage wird für BesucherInnen aus Wien ein Shuttle organisiert!)

“Die Jugend von heute ist so gewalttätig. Videospiele machen aggressiv. Fernsehen ist schlecht. Früher war alles besser und anders und sowieso. Als wir jung waren, da hätten wir nie…! Was ist nur
mit der heutigen Jugend los?” In “Home Sweet Home” erforscht der Regisseur Karl Wozek mit Jugendlichen aus Gmünd (NÖ) ihr multimediales Umfeld. Was sind das für
Sinneseindrücke, die auf sie niederprasseln? Und wer stellt die denn eigentlich her, die Splattermovies und Computerspiele? Die gewaltbereiten Jugendlichen? Sollten sich die anklagenden Erwachsenen
nicht endlich eingestehen, dass in Wahrheit all diese gewaltverherrlichenden Images von ihnen fabriziert und angeboten werden? Und was würde aus ihnen werden, was würde aus unser aller
Gewaltpotenzial, wenn wir selbst solchen Eindrücken ausgesetzt wären?
Jugendliche und Kinder waren immer schon mit Gewalt konfrontiert, mit ganz alltäglichen Szenen, mit der natürlichen Aggression die in allen von uns steckt. Mit Horrorgeschichten, grausamen
Märchen, fürchterlichen Bibelstellen, elterlichen Züchtigungen, öffentlichen Folterungen im Mittelalter u.v.m. Scheinbar möchte sich die Erwachsenenwelt gegenwärtig hier aber aus der Verantwortung
stehlen, was die Entwicklung des Gewaltpotenzials bei jungen Menschen betrifft. Lieber sucht sie nach anderen Sündenböcken, die sie mit Vorliebe in Phänomenen findet, die ihr nicht bzw. nur
schwer zugänglich und oft fremd sind. Regeln und strengere Verbote sollen wettmachen, was viele Erwachsene oder die Gesellschaft an Vorbildwirkung nicht zu geben im Stande sind.
“Home Sweet Home” wird eine spannende, neuartige Mischform von verschiedenen Kommunikationsmitteln. In einer leer stehenden Fabrikshalle in Gmünd mit Ausblick nach
Tschechien, treffen Stationentheater auf mutlimedial gestaltete Räume, Erzähltheater auf Installationen und Theater für alle Sinne auf ein bunt gemischtes Publikum. Ausgangspunkt des
Stationentheaters ist die Frage nach der Gewaltbereitschaft in uns, unabhängig von Alter und Bildung und die tatsächliche Auswirkung von multimedialen Eindrücken, vermischt mit fiktiven und realen
Erzählungen der Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren. Das Publikum wird zum Hauptakteur, in dem ihm Eindrücke vermittelt werden, aber es die Geschichte selbst für sich erlebt. Es wird sich in
Räumen wieder finden, in denen es sich anfangs immer aufs Neue zu recht finden muss. Es wird durch die Fabrik geführt, in einer spontan entschiedenen Abfolge. Die Jugendlichen agieren als Guides wie
auch als SchauspielerInnen. Jeder Raum birgt etwas Anderes, Neues: in einem erwarten das Publikum gespielte Szenen, in einem anderen Beschallungen, ein weiterer Raum könnte komplett dunkel
sein, lediglich Gerüche, Geräusche und Erspürtes erzählen für jeden Besucher, jede Besucherin, etwas Individuelles. Der Stückentwicklung geht eine 6monatige Probenzeit und Nachforschungen bezüglich
Medien, Computer, Umfeld und ihre Auswirkungen auf die teilnehmenden Jugendlichen voraus.
Artikel von Heinz Wagner
Ach so süß. Und so
gewalt-ig!
"Home sweet home" im Gmünd. Starke,
trashige Performance als NÖ-Beitrag zu Macht Schule Theater
Gmünd. Kurz vor der Grenze. Dort wo
- für Jugendliche vor ewigen Zeiten - der "eiserne" Vorhang nur einen sehr satten Steinwurf entfernt war, die Grenze in den Köpfen so manche wahrscheinlich noch immer nicht überwunden ist. Eine ganz
andere Grenze überwinden eineinhalb Dutzend Jugendliche. Und wie! Sie setzten sich mit Gewalt auseinander, entwickelten das Stück "Home sweet home" und führen dieses seit kurzem - und noch bis 14.
Mai - auf. Ein Erlebnis. Präzise und auf den Punkt gebracht. Bewunderswert von den großteils sehr jungen Jugendlichen gespielt. Und immer wieder packend - auch wegen der spannenden Geschichte, aber
noch mehr wegen des berührenden Spiels.
Gruselig
Schon das Gebäude der ehemaligen
Teppichfabrik schaut eher abgehaust aus. Rein. Schmale, kahle Gänge. Es wird dunkel und dünkler. Gruselig. Irgendwo in einer Ecke kauern drei junge Leute. Verängstigt. In einer Nische der Oberkörper
einer stylishen Puppe. Wie vom Rest des Körpers exakt abgeschnitten. Gegenüber in der Ecke am Boden ein Hackstock, drum herum Knochen. Gruseliger.
Weiter: Eine kleine Kammer. Ein Kasten. Drin in einer Ecke ein Mädchen. Voll konzentriert spielt sie auf teilnahmslos. Drüber der rot (mit Blut?) geschriebene Slogan: "Deine Sprache verrät dich!"
eines der Elemente, das später im Stück noch eine zentrale Rolle spielen wird.
Gruseliger
Zurück in den engen Gang. Hinter
einer Glasscheibe drei Schauspielerinnen. Das Gesicht voll blau geschminkt. Starre Blicke. Tote Lebende? Lebendige Tote? Monster? Ums Eck nochmals vier genau so Blickende. Gegenüber auf einer hohen
Ablagefläche ein paar Spielsachen. Ein Zettel mit der Aufschrift: "Jede Karte muss aufgehängt werden".
Nächster Raum: Hörspiel und einige
blitze. Dann ein paar projizierte Bilder. Der Ruf: "Wir müssen weg, sie kommen!"
(Zu-)Flucht
Nun geht's in den Theaterraum - das
Erdgeschoss der dreistöckigen Fabrikshallen. Eine aus Schrauben und anderen Metallteilen geformte Groß-Tier-Skulptur. Ein niedriger Gitterkäfig. Fotos, Poster, Auf einem Gitter der Schriftzug mit dem
Stücktitel aus eingedrehten Kleidungsstücken. Ziemlich zentral drei geschminkte Jugendliche idyllisch, zärtlich einander Hände und Rücken streichelnd. An einer Seite erklingen Drums und ein
E-Gitarre. Irgendwie trashig alles. Irgendwie aber auch wie ein Traum-Zufluchtsort aussteigwilliger Jugendlicher, die nichts zu tun haben wollen mit einer geglätteten, sauberen,
Kaufzwangs-Gesellschaft.
Treibjagd
Ein Kasperltheater rückt kurz ins
Zentrum. Figurenspiel. Der Schrei "Hilfe!"
Die geschminkten Jugendlichen - dunkelblau, gelb und manche hellblau/weiß gescheckt - reden. In einer Kunstsprache. Discomusik, wird härter. Ein Ruf aus dem Mikrophon. Eine Frau wird von allen
umringt. Bedrohlich. Ein spitzer Schrei - alle rennen auf und davon.
Erst jetzt fällt auf: Nicht alle.
An einer Säule angekettet am Fuß ein Mädel im weißen Hemd. Ungeschminkt. Sie schickt den Davongelaufenen eine Kaskade aus Flüchen nach. Wirkt aggressiv. Und doch macht's sofort im Kopf klick:
"Hoppla, die müssen doch die sein, die sie hier angekettet haben."
Schwenk. Video: Verfolgungs- oder Treibjagd durch den Wald in Richtung Stadt. Spiel? Wirklichkeit? Gar ein Virtual-Reality-Computergame?
"Sanft"
diktieren
Vor einer Sitzbank mit zwei
zärtlich sanft ineinander versunkenen Geschminkten wird ein roter Teppich ausgerollt. Drei Weiß-hemdige, Ungeschminkte werden von Blauen und Gelben reingestoßen, geschlagen, maltraitiert, vor den
Thron auf die Knie gezwungen.
Die Regentinnen bleiben sanft,
leise Worte, dezente Handbewegungen. Die Befehle werden sozusagen recht zurückhaltend erteilt. Die Wachen wissen, was gemeint ist. Und legen noch ein eigenes Schäuferl nach.
"Was wollt's ihr von uns, wir haben euch doch gar nix getan!", rufen die Gefangenen. Sie sprechen die dem Publikum bekannte Sprache (!)
Die dunkelblaue Königin verstößt ihre hellblaue Gespielin, holt sich eine der Weißen. Einer der Gefangenen wird mit einer Scheibtruhe rausgeführt und bald danach kommt dampfende Brühe mit der
Scheibtruhe rein, wird in die großen Fressnäpfe verteilt. Eine weitere Gefangene kommt in den schon erwähnten, niedrigen, engen Käfig. Von außen wird auf ihn noch mit einem Stock
eingestoßen.
Hölle im
Paradies
Die Situation eskaliert mehr und
mehr. Die erstgenannte Gefangene wirft hin, sie hätte nur überlebt, weil sie alle anderen Gefangenen getötet hätte und kommt in den "Ring", einen Käfig aus vier Baustellengittern, in dem sie mit
einer der neuen Gefangenen zu kämpfen hat.
Bekämpfen sie die Weißen, weil sie
Vertreter jenes Systems sind, vor dem sie geflüchtet sind? Oder weil die ebenfalls davor wegrennen und auch nach einer neuen, besseren Welt suchen In der sie nun genau so wenig erwünscht sind?
Wie auch immer. Endlich dämmert einer der Blauen, dass sie sich in dem was sie als Paradies erreichen wollten die Hölle errichtet, den eigenen Traum zerstört, statt grenzenlose Liebe, Hass und Angst
erzeugt haben. Schluss. Applaus.
"Haben gemeinsam was
geschaffen!"
Die 13- bis 18-Jährigen arbeiteten
seit Oktober an dem Stück. Wer in welcher Gruppe spielt, welchen Part übernahm, "das haben wir beim improvisieren geübt, wir haben da auch die Gruppen und Rollen getauscht", erzählen Lisi Kerndl,
Sevde Evci und Chrissi Hauer dem Online-KiKu. Auf die ganze trashige Welt außerhalb der herkömmlichen Gesellschaft haben sie sich durch mehrtägiges Leben in der Fabrikshalle nur bei kaltem Wasser,
wärmen am Lagerfeuer, Klo ohne Wasserspülung (nur mit Kübel nachschütten) eingelebt. Was die Gruppe auch ziemlich zusammenschweißte. Egal in welcher der verfeindeten Gruppen sie nun ihre Rollen
spielen. Apropos "verfeindet": "Das Hinschlagen war für mich das schwerste", sagt Sevde Evci. "Einmal hab ich der Chrissi beim Fight im Käfig aus Versehen echt weh getan. Das hat mir urleid getan,
ich hab mich 1000 Mal entschuldigt."
Lisi Kerndl fand gerade das
Schlagen "besonders lustig, weil du da einmal so richtig böse sein darfst, wie du selber sonst nie bist. Wir haben uns ja normalerweise nie wirklich weh getan und es hat sich eh jede und jeder
andauernd entschuldigt."
Die drei strahlen auch, als sie
beschreiben, weshalb sie bei diesem Projekt mitgemacht haben, das ihnen immerhin tägliche Proben in den Ferien eingebracht hat: "Du machst da in deiner Freizeit echt was sinnvolles, was, das Spaß
macht und du merkst, wie viel du durch die Proben weiterbringst."
Die Burschen sind mit drei an der Zahl deutlich in der Minderheit, viele ihrer Schulkollegen fänden das blöd, "sogar Siebtklässler bei uns im Gymnasium haben gelacht, als sie das hörten, aber ich
find Schauspielen echt cool, ich mag's, weil's Kunst ist und nicht nur Handwerk", begründet Michael Kerndl, weshalb er mitmacht. Joachim Schübl sei anfangs nur wegen seines Cousins mitgegangen, aber
bald gefiel's ihm. "Das ist ech leiwand, voll o.k. Das Besonders ist, dass wir gemeinsam was entwickeln und nun bei den Aufführungen auch merken, wir haben was geschaffen!"
Ab
Oktober...
... hatten Regisseur Karl Wozek und
Schauspielcoach Charly Vozelinek mit eineinhalb Dutzend Jugendlichen mehrerer Gmündner Schulen in Schreibwerkstätten sowie Schauspiel- und Tanzworkshops zum Thema Gewalt gearbeitet. Mit verschiedenen
künstlerischen Ausdrucksmitteln beleuchten die Jugendlichen kritisch die These vom Zusammenhang von Medienkonsum und wachsender Verrohung von jungen Menschen. Als beeindruckende und spannende
Spielstätte für das multimediale Stationentheater dient die alte Eisenbergerhalle. Erlebnisräume und Erzähltheater mischen sich mit Installationen und bieten Theater für alle Sinne für Menschen ab
13.
Schon im Vorfeld hatte die Gruppe die Bevölkerung ins Projekt einbezogen. Unter dem Motto und mit Postkarten bzw. Plakaten "Gewaltfreies Haus" wurden Passanten und Bewohner im Raum Gmünd angeregt,
über Gewalt nachzudenken.
http://kurier.at/lebensart/kiku/ach-so-suess-und-so-gewalt-ig/715.113
Artikel von Daniel
Lohninger
Gewalt - sicher kein
Kinderspiel
PREMIERE / Szene Bunte Wähne
gastiert erstmals in Gmünd – mit der Produktion „Home Sweet Home“. Stars sind Jugendliche aus Gmünd, Zwettl und Horn.
GMÜND / Angepasste hassen
Nicht-Angepasste und verfolgen sie. So war das in der Menschheits-Geschichte immer und so ist das auch heute noch.
In der ehemaligen Eisenbergerfabrik in Gmünd ist das anders: Hier regieren die Nicht-Angepassten. Die Welt dieser Jugendlichen ist voll von kräftigen Farben, frechen Outfits und erfrischendem Chaos,
man unterhält sich sogar in einer eigens kreierten Sprache – die Welt, die sich die Jugendlichen hier geschaffen haben, ist, wie sie sein sollte. Und trotzdem regieren Hass, Unterdrückung und
Verfolgung.
Das ist das Szenario, in das Regisseur Karl Wozek die Besucher von „Home Sweet Home“ – der diesjährigen „Schule-macht-Theater“-Produktion von Szene Bunte Wähne – stößt. Mit voller Wucht krachen
Gewalt und Aggression über das Publikum herein, werden Jugendliche verfolgt und gefoltert.
Das Ergebnis ist erschreckend beklemmend und hat nichts mit den schick aufgemotzten Kunstblut-Gewaltorgien in Hollywood-Blockbustern gemeinsam. Man spürt hier fast am eigenen Leib, was in
Schulklassen, Diskos, Jugendzentren, aber auch in bierdunst-vernebelten Festzelten und turbo-kapitalistischen Konzern-Etagen zum Alltag gehört: nackte physische und psychische Gewalt, die sich gegen
alles richtet, was anders ist. Anders ist in diesem Fall eben der, der „angepasst“ ist – die Botschaft wird zur universellen. Toleranz gegen Menschen, die anders sind, ist das beste Mittel gegen
Gewalt – egal, ob die „Andersseienden“ geschniegelte Spießer, widerspenstige Revoluzzer oder hilfesuchende Flüchtlinge aus aller Welt sind.
Wozek inszeniert „Home Sweet Home“
als fesselndes, multi-medial aufbereitetes Bühnenstück, das den Einsatz von Sprache auf das notwendige Minimum reduziert und stark von non-verbalen Ausdrucksformen lebt – und zudem auch vom morbiden
Charme der ehemaligen Eisenbergerfabrik zehrt.
Wirklich sehenswert wird das Stück aber vor allem durch die großartige Bühnen-Performance der 20 Jugendlichen, die diese Parallelgesellschaft zum Leben erwecken – und das in einer unglaublichen
Intensität, die wohl keinen Theater-Besucher unberührt lässt.
Fazit: Gewalt ist kein
Kinder-Geburtstag – diese packende Produktion auch nicht. Großartig!
http://www.noen.at/lokales/noe-uebersicht/gmuend/kultur/Gewalt-sicher-kein-Kinderspiel;art2569,46155