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Das siebte Kreuz

nach Anna Seghers

 

 

„Wir fühlten alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, dass es im Innersten etwas gab, was unangreifbar war und unverletzbar.“

 

letzter Satz aus „Das siebte Kreuz“

PREMIERE am 13. Mai 2013 im Dschungel Wien

weitere Vorstellungen: 14. - 17. Mai 2013

Schulveranstaltungen in NÖ

2.12.2013 um 11 Uhr Stadttheater (Bruck an der Leitha)

3.12.1013 um 11 Uhr Vereinshaus Horn

4.12.2013 um 11 Uhr Stadtsaal (Hollabrunn)

9.12.2013 um 11 Uhr Theater am Steg (Baden)

10.12.2013 um 11 Uhr Stadttheater (Wiener Neustadt)

Fotos von Barbara Palffy

INHALT / HINTERGRUND

 

1937 bricht Georg Heisler mit sechs Mitgefangenen aus dem Konzentrationslager Westhofen bei Worms aus. Der KZ-Kommandant Fahrenberg befiehlt, die Entflohenen innerhalb von sieben Tagen zu fangen. Er lässt die Kronen von sieben Bäumen kappen und an den Stämmen in Schulterhöhe je einen Querbalken anbringen, so dass sieben Kreuze entstehen – eines für jeden Flüchtigen. Sechs der Entflohenen werden entweder gefasst oder kommen auf der Flucht um, doch das siebte Kreuz bleibt frei. Georg Heisler gelingt die Flucht.

 

Jeder der sieben Flüchtigen mit ihren unterschiedlichen Berufen und Biographien steht für eine soziale Schicht. Auch die Vertreter des Nationalsozialismus, allen voran der Lagerkommandant SA-Scharführer Fahrenberg, verkörpern politische Haltungen in Hitlerdeutschland. Zusammen mit den Randfiguren des Romans entsteht ein Querschnitt durch die Gesellschaft dieser Zeit.



Der Roman schildert in sieben Kapiteln die siebentägige Flucht Heislers, die nur gelingen konnte, weil Heisler bei all seinem Mut kein Individualist ist wie die anderen Flüchtigen, sondern als Kommunist Rückhalt bei seinen Genossen im Untergrund findet. Aber auch gutwillige Deutsche, politisch nicht organisiert, helfen ihm auf seiner Flucht.

 

1938 begann Anna Seghers die Arbeit an ihrem Roman im Exil in Südfrankreich. Da sie keine Recherchen an den Örtlichkeiten der Romanorte durchführen konnte, griff sie, da sie sich dem Sozialistischen Realismus verpflichtet fühlte, auf eine Region als Schauplatz zurück, die sie als gebürtige Mainzerin kannte. Das von ihr zugrunde gelegte Konzentrationslager war nicht groß, es existierte aber als KZ Osthofen, einem damals stillgelegten Fabrikgelände nahe Worms.



Bereits 1939 erschien das erste Kapitel in der Moskauer Zeitschrift „Internationale Literatur“. 1942 wurde der komplette Roman in den USA in englischer Sprache und im mexikanischen Exilverlag „El Libro Libre“ („Das Freie Buch“) in deutscher Sprache veröffentlicht. Ebenfalls 1942 wurde in den USA eine Comic-Fassung verlegt. Später wurde von Anna Seghers das weitere Leben einiger Romanfiguren in Erzählungen fortgeführt („Das Ende“, „Die Saboteure“, „Vierzig Jahre der Margarete Wolf“).

 

Der aus Österreich emigrierte Regisseur Fred Zinnemann verfilmte „Das siebte
Kreuz
“ 1944 in den USA 
(Originaltitel: The Seventh Cross). Die
Rolle des Georg Heisler wurde von
Spencer Tracy gespielt.

ANNA SEGHERS

 

wurde am 19. November 1900 als einzige Tochter des erfolgreichen jüdischen Kunst- und Antiquitätenhändlers Isidor Reiling und dessen Ehefrau Hedwig (geborene Fuld)
in Mainz geboren.
  
Ihre Schulausbildung wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Nach dem Abitur im Jahr 1920 studierte Anna in Köln und Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie. 1924 promovierte sie in Heidelberg. Ihre Dissertation trug den Titel "Jude und Judentum im Werk Rembrandts". Den Nachnamen eines Zeitgenossen Rembrandts, des
eigenwilligen niederländischen Malers Hercules Seghers, wählte die Schriftstellerin später als Pseudonym.
 
1925 heiratete Anna Seghers den ungarischen Soziologen László Radvanyi. Mit ihm
wohnte sie in Berlin. Anna Seghers engagierte sich in revolutionären Zirkeln, trat 1928 der Kommunistischen Partei Deutschlands bei und war im Jahr darauf Gründungsmitglied des "Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller". Dabei soll es ihr weniger um Politik und Ideologie als um eine "atheistische Religion" gegangen sein (Marcel Reich-Ranicki). Wegen ihrer Parteizugehörigkeit und ihrer jüdischen Abstammung floh sie 1933 über die Schweiz nach Paris und sieben Jahre später in den noch unbesetzten Teil Frankreichs, wo sie sich um die Freilassung ihres in Le Vernet, einem Lager in den französischen Pyrenäen, internierten Ehemanns bemühte.
   
Nachdem Anna Seghers bereits im Oktober 1940 kurz in Marseille gewesen war, zog
sie am 30. Dezember mit ihren Kindern – dem fünfzehnjährigen Pierre und der
dreizehnjährigen Tochter Ruth – dorthin. Unter der Auflage, Frankreich am nächsten Tag zu verlassen, wurde László Radvanyi am 23. März 1941 freigelassen. Am 24. März ging die Familie an Bord des Frachtschiffes "Paul Lemerle" und traf am 30. Juni 1941 in Mexiko ein. Dort nahm László Radvanyi den Namen Johann-Lorenz Schmidt an.
  
Anna Seghers' Roman "Das siebte Kreuz" erschien 1942 in Mexiko und in einer englischen Übersetzung in den USA. Fred Zinnemann verfilmte das Buch 1944 ("Das siebte Kreuz"). Und Anna Seghers wurde weltberühmt. 
 
1947 kehrte sie mit ihrem Mann nach Deutschland zurück und ließ sich in
Ostberlin nieder. Die DDR ehrte Anna Seghers 1951 mit dem Nationalpreis, und von 1952 bis 1978 fungierte sie als Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. 
 
László Radvanyi starb 1978. Die Witwe überlebte ihn um fünf Jahre: Anna Seghers
verschied am 1. Juni 1983. 
 
Ihr Roman "Das siebte Kreuz" inspirierte Hans-Ulrich Treichel (Libretto) und Hans Werner Henze (Musik) zu der am 11. September 1997 in Berlin uraufgeührten "Sinfonia N. 9 für gemischten Chor und Orchester. Dichtung auf Anna Seghers Roman 'Das siebte Kreuz'".

Medien

Heinz Wagner 13.5.2013

Flucht zwischen Annäherung und Bedrohung

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Anna Seghers berühmter Roman "Das siebte Kreuz" in einer bedrückend-berührend-zeitlos-aktuellen Version im Dschungel Wien

Traute, fast idyllische Zweisamkeit einer Tochter und ihrer Mutter. Sie liest in einem dicken Buch, die Mutter bittet sie liebevoll, schlafen zu gehen. Anna bettelt, wenigstens noch eine Seite lesen zu dürfen und verspricht, dies aber dann ohnehin schon im Bett tun zu wollen. Liebevolle, zärtliche Gute-Nacht-Verabschiedung mit dem sweeten Song „Oh oh I love you baby, I love you so“ (u.a. in der Version Paul Ankas berühmt geworden).

Brüche

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Doch irgendwie... naja, einerseits scheint schon das Ambiente der Wohnung – mit einem Hauch von Grindigkeit – einen Bruch zur Idylle darzustellen. Zum anderen aber ist es das Wissen um die Story von Anna Seghers „Das siebte Kreuz“. Ein Roman, der auf wahren Geschichten aufbaut. Sieben Flüchtlinge eines Lagers entkommen. Dessen Kommandant lässt schon für jeden einen Baum zum Henkerspfahl umfunktionieren. Sechs werden von seinen Schergen gefangen genommen und aufgehängt. Der siebente entkommt.

Bedrohungen

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Genau, der landet hier in dieser Wohnung, wo er Zuflucht erhofft. Doch noch zuvor kippt Elisabeth nachdem ihre Tochter eingeschlafen ist und sie sich ihrer Verzweiflung hingeben kann (ihr Mann, der im politischen Widerstand gegen die Diktatur war, wurde ermordet – was erst viel später nach und nach erzählt wird) eine Handvoll Tabletten nach der anderen in sich rein und lässt sich in die Wanne sinken.

 

Der Flüchtling, der in die Wohnung eindringt, rüttelt und schüttelt sie ins Leben zurück. Was Anna als sie munter wird, nicht mitbekommen hat, den Fremden für eine bedrohlichen Eindringling hält, der noch dazu immer wieder mit einer Pistole herumfuchtelt.

Da kommt die nächste Bedrohung – Polizei auf der Suche nach dem Flüchtling, der gerade noch notdürftig von Mutter Elisabeth versteckt werden kann... Dafür wird eine Nachbarin mit auf den Posten geschleppt – ausgelöst von der denunzierenden Hausbesorgerin...

Aktualisiert

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Das theater wozek rückt die Story ein wenig aus Zeit und Raum. Einige Utensilien (etwa Handy) lassen sie im hier und heute spielen, Diktatur ist nicht zwingend der Rahmen – der Umgang mit Flüchtlingen und ihre Abschiebungen, Misshandlungen ins Schubhaft soll auch schon in Demokratien vorgekommen sein.

Genial-arges Schau- und Bilderspiel

Fein und differenziert arbeitet das zentrale Trio (Elisabeth – Marion Rottenhofer, Georg – Charly Vozenilek und Anna – Julia Vozenilek) die Schwankungen zwischen Bedrohung und Annäherung wunderbar spielend heraus. Besonders hervorzuheben ist dabei die Leistung der erst 15-jährigen Julia Vozenilek, die in diesem Stück so viel im Zentrum steht wie in keinem ihrer bisherigen Produktionen. Und obendrein hier einige schier ansatzlosen Auszucker punktgenau und voll glaubhaft ausspielt. Da kommt's mitunter auf den Bruchteil einer Sekunde an!

 

Hervorragend auch das nicht unübliche Spiel bad cop/“good“ cop. Felicitas Lukas als bitterböse Kriminalbeamtin Fischer, die mit wenigen herausgeschossenen Sätzen und zackigen Bewegungen von der ersten Sekunde ihres Auftritts an Angst und Schrecken verbreitet. Und ihr scheinbar offenerer, liberalerer Chef, der sich hingegen in den Verhörszenen zum abgeklärten Zyniker mausert.

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Und erschreckend genial die die Brutalität von Elisabeths Verhör zeigende Abfolge von eingeblendeten Fotos. Kein ausgeführter Schlag, „nur“ einmal eine angesetzte Pistole, ansonsten entsprechende Kopfbewegungen, mehr und mehr rote Farbe im Gesicht und kontrastiert vom oben schon genannten Sülze-Song – brutale Realität leider wohl in jeder Sekunde im jetzt.

Und doch bleibt am Ende...

...ein Funken Hoffnung,..

... wenn Simonida Selimović geschlagen und maltraitiert sich nicht unterkriegen lässt und die Roma-Hymne Gelem Gelem anstimmt

 

1. Gelem, gelem, lungone dromenca
malaðilem e bute romenca.
Barvalenca taj vi e čorenca
taj vi lenge bute šavorenca.

Refrain: Aj, romalen, aj šavalen.

2. Aj romalen, katar tumen aven?
Katar aven romale butalen?
Amen avas anda e Indija,
sa le Rom sam sar jek familija.

Refrain

3. Aj romalen, kado drom sas pharo kaj phirasas ando them, o baro. Vurdonenca taj čore cerenca, e asvenca taj bare dukhenca.

Refrain

 

Übersetzung:
1. Ich bin weite Wege gegangen,
und ich habe viele Roma getroffen.
Reiche und Arme habe ich getroffen
und auch ihre vielen Kinder.

2. Roma, woher kommt ihr?
Woher kommt ihr, die ihr so viele seid?
Wir kommen aus Indien
Wir Roma sind alle wie eine große Familie.

3. Oh, Roma, es war ein schwerer Weg,
den wir gegangen sind auf dieser Welt.
Mit Wagen und mit ärmlichen Zelten,
mit Tränen und mit Schmerzen.

(Version von Ruža Nikolić-Lakatos
Text: Miso Nikolić, April 1994
)

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Das siebte Kreuz
nach Anna Seghers
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Schauspiel, Performance, 80 Minuten

 

Konzept, Regie: Karl Wozek
Darsteller_innen: Marion Rottenhofer, Julia Vozenilek, Charly Vozenilek, Robert Kahr, Felicitas Lukas, Simonida Selimović, Maria Draxler, Christina Kolin, Sabine Hütter und Max Glatz.

Hintergrund

1937 bricht Georg Heisler mit sechs Mitgefangenen aus dem Konzentrationslager Westhofen bei Worms aus. Der KZ-Kommandant Fahrenberg befiehlt, die Entflohenen innerhalb von sieben Tagen zu fangen. Er lässt die Kronen von sieben Bäumen kappen und an den Stämmen in Schulterhöhe je einen Querbalken anbringen, so dass sieben Kreuze entstehen - eines für jeden Flüchtigen. Sechs der Entflohenen werden entweder gefasst oder kommen auf der Flucht um, doch das siebte Kreuz bleibt frei. Georg Heisler gelingt die Flucht                   

 

Dieser 1942 zuerst in englischer Sprache, kurz darauf in einem mexikanischen Exilverlag in deutscher Sprache erschienene Roman „Das siebte Kreuz“, machte die Autorin Anna Seghers weltberühmt. Er wurde zu einem Bestseller. Der aus Österreich emigrierte Regisseur Fred Zinnemann verfilmte den Roman 1944 in den USA. Sie habe mit dieser Fluchtgeschichte, so Anna Seghers, die Struktur des ganzen Volkes aufrollen wollen.

 

„Wir fühlten alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, dass es im Innersten etwas gab, was unangreifbar war und unverletzbar." (Letzter Satz aus „Das siebte Kreuz".)

Wir bedanken uns für die Unterstützung!

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