Drei Geschichten. Ein Schicksal.
- Hauptmann Wittenberg Liebe
- Shakespeare Helsingör Rache
- Müller Hades Tod Hauptmanns
Hamlet in Wittenberg / 30 Minuten -Pause
Hamlet / Prinz von Dänemark / 90 Minuten - Pause
Die Hamletmaschine / 30 Minuten
21-24. Jänner 2000, 27-29. Jänner 2000
Theater des Augenblicks, 1180 Wien, Edelhofgasse 10
Die Hamletmaschine wurde auch im Rahmen von Hubsi Kramars ham.let aufgeführt.
Hamlet befindet sich aus Studiengründen in Wittenberg und verliebt sich dort unsterblich in die Zigeunerin Hamida. Doch diese Liebe muß scheitern. Politik, Vorurteile, Rassismus, innere Ängste,
Klassen(zer)denken, Standesdünkel, Feigheit und Verlogenheit reißen eine tiefe Kluft zwischen dem jungen Hamlet und dem Freudenmädchen Hamida. Shakespeares Hamlet kehrt von Wittenberg zurück nach
Helsingör, da sein Vater (König von Dänemark) gestorben ist. Wenige Monate nach dessen Begräbnis heiratet seine Mutter Gertrude seinen Onkel Claudius. Der familiäre Trümmerhaufen ist perfekt. Auch
das Königshaus (außen- sowie innenpolitische Schwierigkeiten) kracht in allen Fugen. Noch dazu erscheint Hamlet der Geist seines toten Vaters, der ihm in einer geradezu gespenstischen Szene mitteilt,
daß er nicht eines natürlichen Todes gestorben sei, sondern daß er heimtückisch ermordet wurde - und zwar von seinem Bruder Claudius, der jetzt seine Krone trägt und mit der Königin, Hamlets Mutter,
im Bett liege... Er, Prinz Hamlet, Sohn und Thronfolger, möge ihn rächen !!
Nun steht einer Tragödie nichts mehr im Wege. Hamlet, der die Missetat aufdecken will, verirrt sich in Selbstzweifel und Gewissenskonflikte, täuscht ein Verrücktsein vor, verstößt seine Verlobte
Ophelia, die, nachdem er Polonius, ihren Vater, erstochen hat, ins Wasser geht, bringt in einem Duell ihren Bruder Laertes um, wird dabei von dessen vergifteter Degenspitze verwundet, muß mitansehen,
wie seine Mutter an einem ihm zugedachten Gifttrank jämmerlich krepiert, ermordet dann, so wie es seines Vaters Geist gefordert hat, seinen Onkel Claudius und bricht zuguterletzt, eine neue Ära für
Dänemark prophezeiend, tot zusammen. Conclusio: Ein Blutbad für ein Phantom.
Müllers Hamlet protestiert, rekapituliert, funktioniert, ist tot. Er hat alles hinter sich und will nichts mehr vor sich haben. Er rechnet ab: mit sich, mit seinem Vater, seiner Mutter, mit seiner
Geliebten Ophelia, mit dem Hofstaat, mit der Geschichte, mit der Politik (ehemalige DDR- Problematik), mit dem Leben. Er besucht noch einmal die Welt der Unterdrückten und Mißbrauchten: das Brachland
der Frauen, die Ruinen der Künstler, die Universität der Toten. Er resigniert. Er zieht sich zurück in sich selbst. Er will eine Maschine sein. Ohne Herz. Ohne Sinn.
Gerhard Hauptmann
* 1862, † 1946
Führender deutscher Bühnendichter um die Jahrhundertwende, Bahnbrecher des Naturalismus, später oft Gestalter des Mythischen, Märchenhaften, Phantastischen. Nobelpreis 1912.
Schauspiele: "Die Weber", "Michael Kramer", "Hamlet in Wittenberg"; Atriden-Tetralogie. Romane, Novellen, Epen.
William Shakespeare
* 1564 in Stratford-upon-Avon, † 1616 ebd.;
Englischer Dramatiker und Schauspieler. Als der erfolgreichste Bühnenautor seiner Zeit kam er zu Wohlstand. Shakespeares Drama "will der Tugend ihre eigenen Züge, der Schmach ihr eigenes
Bild und der Zeit den Abdruck ihrer Gestalt zeigen". Der tragische Konflikt liegt bei Shakespeare in dem betreffenden Menschen selbst, im Zwiespalt zwischen dem, was Hamlet Blut und Verstand nennt.
Shakespeares Helden sind überlebensgroß im Sinne des Heldenideals seiner Zeit; aber wo sie die Natur vergewaltigen wie Lady Macbeth, stellt der Dichter ihr Menschentum wieder her, indem er die
vergewaltigte Natur sich rächen läßt. Auch in den Komödien lauert hinter dem phantastischen Spiel und dem funkelnden Witz der tragische Ernst. Shakespeare ist unerreicht in der Menschenschilderung;
er individualisiert im Gegensatz zum klassischen Drama, das typisiert.
WERKE: Verserzählungen; tiefsinnig-rätselhafte "Sonette"; Dramen: "Richard III", "Romeo und Julia", "Ein Sommernachtstraum", "Der Kaufmann von Venedig", "Hamlet",
"Othello", "Macbeth", "König Lear", "Julius Caesar", "Der Sturm". u.a.
Heiner Müller
* 1929; † 1995
Schriftsteller, Journalist, Dramaturg. Müller geht in bewußter Nachfolge von Brecht stets von Modellsituationen aus: Widersprüche zwischen Praxis und Ideologie, zwischen Sein und
Bewußtsein werden ausgetragen in beispielhaft überhöhten Konflikten, die der Antike, zurückliegenden Revolutionsepochen, aber auch dem Alltag der DDR entnommen sind.
Dramen: "Der Lohndrücker", "Philoktet", "Leben Gundlings...", "Quartett", "Die Hamletmaschine" u.a.
Eine Inszenierung, die dem PHÄNOMEN "Hamlet", das seit Jahrhunderten die Theaterwelt beschäftigt, nachspürt. Was ist es nur, das uns an Hamlet so anzieht und zugleich abstößt? Hamlet erkennt, deckt auf und zerbricht daran - und mit ihm sein ganzes Umfeld. Gut. Aber welche Motive treiben einen Menschen dazu, etwas zu tun, das er im Grunde seines Herzens nicht will, geradezu verabscheut? Ist Hamlet wirklich ein Ausnahmefall, ein sogenannter tragischer Held, eine Charakterikone? Oder treffen wir diesen Typus Mensch an jeder Straßenecke? Und was ist nicht schon alles über ihn gesagt worden? Er sei ein Versager, ein Hero, ein Stratege, ein Ödipuskomplexler, ein Revolutionär, ein Triebtäter, ein Hypochonder, ein Romantiker, ein Märtyrer, ein Amokläufer, ein Intellektueller, ein Sozialist, ein Spieler, ein Märchenprinz, ein Racheengel, ein Idiot ... Nun, abgesehen von den vielen Begriffen und Unbegriffen, die allein in den letzten Jahren in Hamlets Seelenbottich geschmissen und, zehnfach umgestaltet und verdreht, wieder herausgefischt wurden - bleibt dennoch die Frage: Was hat ihn schlußendlich ins Verderben gestürzt? Seine verunglückte Liebe? Die Hörigkeit seinem Vater gegenüber? Seine innere Zerrissenheit und Inkonsequenz? Alles zusammen? Lastet ein Fluch auf ihm? Wir wissen es nicht. Wir können es bloß erahnen, für uns selbst herausfinden, offen lassen. Kurzum: Anhand dreier Geschichten: Studienzeit in Wittenberg, Racheakt in Helsingör, Flucht ins Totenreich - zeigt Theater Wozek die wesentlichen Stationen der Passion Hamlets auf. Komprimiert. Unterhaltsam. Dramatisch.
DER STANDARD 26.1.2000
Im Rädchenwerk des Dänenprinzen
[...] Im letzten Teil dieser Tour de Force gelingen Wozek die Bilder, die er den Abend über verspricht. Müllers kräftig geschüttelter Text wird zur Sprungschanze der Bedeutungen.
Stephan Hilpold
KLEIN&KUNST Nr.20/2000
Hamlet-Triptychon
Aus drei Geschichten und einem Schicksal gelingt dem theater.wozek eine beeindruckende Collage zum Phänomen Hamlet. [...] Karl Wozek hat in seiner Fassung gekürzt und radikal die verschiedenen Motive
zum underdog Hamlet verknüpft. [...] Mit ein ein paar köstlichen Effekten macht sich Karl Wozek theatralische Formen zunutze. [...] Der Musikeinsatz unterstreicht den jugendlichen, fetzigen Zugang zu
dieser Theaterikone. [...] Eine Empfehlung für Freunde des ungekünstelten Theatererlebnisses.
CITY STADTZEITUNG FÜR WIEN 5/2000
Play Hamlet
von wald
Nicht bloß einfach „Hamlet“, sondern gleich ein „Hamlet-Triptychon“ auf die Bühne zu zwingen, das dem Shakespeare-Drama noch zwei zusätzliche Hamlet-Texte aufpfropft, kann ohne gesunde Portion
Größenwahnsinn nicht abgehen. Aber schließlich ist die Zeit aus den Fugen im Staate Dänemark – und diesem Zustand entspricht Karl Wozeks maßlose Umsetzung des gigantischen Spreng-Stoffes im Theater
des Augenblicks vollkommen.
FALTER 18/00
Schmäh ohne, ohne Schmäh
von Wolfgang Kralicek
[...] danach spielt das theater.wozek Heiner Müllers „Hamletmaschine“. Regisseur Karl Wozek ist ein Besessener, der ohne Subventionen seit vier Jahren Theater macht: unter anderem hat er bisher
„Faust I“ und die „Räuber“ inszeniert. [...] Die Präzision und die Energie des Ensembles erinnern an die Chöre des Einar Scheef. [...] Es ist gut zu wissen, dass es noch Menschen gibt, die glauben,
mit „Hamlet“ die Welt verbessern zu können.